Die Eleganz ist tot, es lebe die Eleganz
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Was ist eigentlich Eleganz? Es ist nicht einfach, diesen Begriff zu bestimmen. Das merke ich, als ich in der Feldforschung mit Freunden und Familie versuche herauszufinden, was denn Eleganz im Kern ausmacht.
Tauchen wir also ein in diese unbekannten Gewässer. Der Ursprung des Begriffs liegt im lateinischen Wort „elegantia“, das soviel bedeutet wie Gewähltheit. Mögliche Referenzpunkte könnten, Anmut, aber auch Lässigkeit, Beiläufigkeit, bestimmt Dezenz und gewiss Ungezwungenheit sein. Elegant ist man demnach wohl nie, wenn man es soll? Und ist es vermessen ihr eine künstliche Natürlichkeit zu unterstellen? Elegante Menschen empfindet man gemeinhin als fein, zurückhaltend und immer auch ausgestattet mit einer kleinen Prise Exquisitheit.
Mir kommt Audrey Hepburn in Breakfast at Tiffany's in den Sinn. Auch Marlene Dietrichs Stil der 30er Jahre, der unverwechselbare Steve McQueen oder die wunderschöne Iman Abdulmajid.
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Japanische Geishas sind für mich der Inbegriff der Eleganz. Aus der Tradition der höfischen Alleinunterhalter entstand diese Kultur, deren Ziel es war und heute noch ist, das überlieferte Brauchtum zu bewahren auf eine anmutige, charmante, gebildete und geistreiche Art.
Es steckt viel Nostalgie hierin und wenig Gegenwärtiges? Ja, richtig. Aber wer ist denn heute noch elegant? Vielleicht Cate Blanchett, manchmal Kamala Harris, BalletttänzerInnen, sagt zumindest meine Tochter, und wer noch? Ich forsche nach einer lebenden Person unter 50, der man dieses Attribut zuschreiben könnte. Und tue mich tatsächlich schwer.
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Wer könnte noch etwas zu diesem Thema zu sagen?
Definitiv Karl Lagerfeld, die Modeikone der vergangenen Jahrzehnte: „Eleganz hat überhaupt nichts mit Mode zu tun, sondern mit Stil.“ Ja, d‘accord. Mode ist es bestimmt nicht alleine, eher ein umfassendes Konzept von Ästhetik.
Ich bin mir deshalb sicher, dass Eleganz mehr ist als der Modus operandi, wie wir Kleidung kombinieren, sie ist auch die Art und Weise, wie wir sie mit Leben füllen, mit Emotion, mit Überraschung und mit Gewandtheit. Geistige Werte, Kultiviertheit und, noch immer, die soziale Distinktion spielen bei ihrer Ermittlung eine Rolle.
Meldet sich noch jemand zu Wort? Durchaus. Yves Saint Laurent stellte eine interessante Frage: “Was ist Eleganz anderes als das Vergessen, was man trägt?“ Der Meister der Eleganz schickt seine Jünger weg, mit dem Anflug eines Lächelns um seine Mundwinkel? Die Eleganz beginnt dort, wo Mode nicht (mehr) ist?
Es bleibt ein Fragezeichen und deshalb versuche ich es auf dem klassischen Weg und konsultiere ein Lexikon. Das verweist mich auf die zwei wesentlichen Prinzipien der Eleganz. Harmonie und Einheit. Als Beispiele zählen, und da horche ich auf, mathematische Beweise, die lateinische Grammatik, eine Wohnungseinrichtung, auch eine Geste, überraschende und einfache Lösungen für schwierige Fragen, natürlich auch die Mode und eine moralische Handlung. Mathematik ist für mich ein respektabler Unwohlfaktor. Aber die Eleganz eines mathematischen Beweises leuchtet mir trotzdem ein. Aus dem Bauch heraus, sozusagen.
Aber kann moralisches Tun elegant sein?
Ein Zitat, das Marcel Proust zugeschrieben wird, könnte Licht ins Halbdunkel bringen: „Ich versuche moralisch unverfälscht zu bleiben – wenn auch nur, um der Eleganz willen.“ Bedeutet das, dass neben der Außenwirkung auch immer eine innere Haltung der Eleganz zu Grunde liegt? Reicht möglicherweise Schönheit im Sinne von Schönsein nicht oder nicht mehr, um sich als elegant zu qualifizieren?
Diana Vreeland, lange Zeit Chefredakteurin der amerikanischen Vogue, hatte dazu eine klare Meinung: Dem Individuum sei eine Qualität immanent, die jenseits des guten Geschmacks liege. Der elegante Mensch handle mit dem Verständnis für Situationen, habe einen geschärften Urteilssinn, ein Gefühl für Harmonie, ein gesundes Maß an Selbstdistanz und eine profunde Selbsterkenntnis. Ausgesprochen elegant, nicht wahr?
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Aber dieses Eleganzspektrum scheint sich verschoben zu haben. So weit, dass Eleganz vielen wie aus der Zeit gefallen wirkt, nicht mehr modern, rückwärtsgewandt. Die stillen Signale der Eleganz taugen anscheinend in Zeiten von Social Media nicht mehr dafür, in unserer Gesellschaft der vielen aufzufallen. Eleganz könnte obsolet werden, Exzentrik fühlt sich um ein Vielfaches wirkungsvoller an.
Was bedeutet das für die Schmuckbranche? Ausgewählte, besondere Schmuckstücke, ob vintage oder neu, ergänzen unseren analogen Look. Sie sind das Tüpfelchen auf dem I, wenn es um unsere persönliche Eleganz geht. Wir wählen, was wir sein wollen. Ob elegant oder exzentrisch, anmutig oder kitschig. Das ist eine echte Chance. Denn um diese Wahl treffen zu können, bedient sich der elegante Mensch der klugen Selbstreflexion.
English:
What actually is elegance? It is not easy to define this term. I realize this as I try to figure out what constitutes elegance at its core with friends and family.
So let's dive into these uncharted waters. The origin of the term lies in the Latin word "elegantia," which means chosen. Possible points of reference could be, grace, but also nonchalance, casualness, discreetness and certainly informality. Elegant, then, is one never when one is supposed to be? And is it presumptuous to impute an artificial naturalness to it? Elegant people are generally perceived as refined, reserved and always equipped with a little pinch of exquisiteness.
Audrey Hepburn in Breakfast at Tiffany's comes to mind. Also Marlene Dietrich's style of the 30s, the unmistakable Steve McQueen or the beautiful Iman Abdulmajid. Japanese geishas are the epitome of elegance for me. From the tradition of courtly solo entertainers, this culture was born, whose goal was and still is to preserve the traditional customs in a graceful, charming, educated and witty way.
There is a lot of nostalgia in this and little of the present? Yes, that's right. But who is still elegant today? Maybe Cate Blanchett, sometimes Kamala Harris, ballet dancers, at least my daughter says, and who else? I'm researching a living person under 50 to whom this attribute could be ascribed. And am actually having a hard time.
Who else might have something to say on the subject? Definitely Karl Lagerfeld, the fashion icon of past decades: "Elegance has nothing at all to do with fashion, but with style." Yes, d'accord. It's definitely not fashion alone, rather a comprehensive concept of aesthetics. I am therefore sure that elegance is more than the modus operandi of how we combine clothes, it is also the way we fill them with life, with emotion, with surprise and with dexterity. Spiritual values, sophistication and, still, social distinction play a role in determining it.
Does anyone else speak up? Sure. Yves Saint Laurent posed an interesting question: "What is elegance but forgetting what you wear?" The master of elegance sends his disciples away with the hint of a smile around the corners of his mouth? Elegance begins where fashion is not (anymore)?
It remains a question mark and therefore I try the classical way and consult an encyclopedia. That points me to the two essential principles of elegance. Harmony and unity. As examples count, and here I listen up, mathematical proofs, Latin grammar, a home decoration, also a gesture, surprising and simple solutions to difficult questions, of course also fashion and a moral action. Mathematics are a respectable discomfort factor for me. But the elegance of a mathematical proof still makes sense to me. From the gut, so to speak.
But can moral action be elegant? A quote attributed to Marcel Proust might shed light on the semi-darkness: "I try to remain morally unadulterated - if only, for the sake of elegance."Does this mean that, in addition to external appearance, there is always an inner attitude underlying elegance? Is it possible that beauty in the sense of being beautiful is not or no longer enough to qualify as elegant?
Diana Vreeland, long time editor-in-chief of Vogue USA, had a clear opinion on this: There is an intrinsic quality to the individual that lies beyond good taste. The elegant person acts with an understanding of situations, has a sharpened sense of judgment, a feeling for harmony, a healthy measure of self-distance and profound self-knowledge. Exquisitely elegant, isn't it?
But this spectrum of elegance seems to have shifted. So much so that elegance seems to many as if it has fallen out of time, is no longer modern, rather backward-looking.
In the age of social media, the silent signals of elegance are apparently no longer suitable for attracting attention in our society of the many. Elegance could become obsolete, eccentricity feels many times more effective.
What does this mean for the jewellery industry? Selected, special pieces of jewellery, vintage or new, complement our analog look. They are the icing on the cake when it comes to our personal elegance. We choose what we want to be. Whether elegant or eccentric, graceful or kitschy. This is a real opportunity. Because to be able to make this choice, the elegant person makes use of clever self-reflection.
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Hallo Elinor, gut gemacht!!
Für mich eine unausweichliche Anstiftung sich über den Begriff “Eleganz” Gedanken zu machen.
Nach einigem Grübeln und Insichgehen mein Fazit – Eleganz ist ein Spiegel einerseits von Vielem was die Menschen in ihrer Entwicklungsgeschichte hervorgebracht haben, also ein immenser Input – die große Kunst dabei ist diesen in ein Ergebnis zu transformieren das uns begeistert !
Liebe Elinor, so wunderbarer Beitrag! Wie schön Du alles zusammengefasst hat! Hut ab! Sehr interessant und lehrreich! Ich bin gespannt auf deine weitere Idee und Texte! Liebe Grüße
Irina
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